DER LIEBESBRIEF – Post in ein lebendiges Herz

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Meine betagte Freundin Karin lebt seit einiger Zeit in einer Pflege-Wohngemeinschaft. Glücklich haben wir für sie diesen Ort entdeckt. Glücklich hat sich ihr Umzug an diesen bestmöglichen Ort ermöglicht. In der „Villa“ mit Garten und alten Bäumen lebt sie mit neun weiteren Menschen zusammen. Begleitet und unterstützt in ihren jeweiligen Bedarfen als ältere und unterschiedlich geforderte Seniorinnen. Es wird gemeinsam gekocht, Wäsche gebügelt, gesungen, gegessen. Und ja, auch gestritten über das Fernsehprogramm oder ganz andere Anliegen. Dinge verschwinden, tauchen anderswo – oder nie – wieder auf. Demenz ist für einige der Bewohnerinnen ihr täglich Brot. Und ich nun, in der Ferne, möchte beitragen. Was nur kann ich tun?

Besuche sind ob meiner eigenen Lebenslage kaum möglich. Meine Kraft hat sich aufgebraucht bis zur Erschöpfung im Pflegen und Begleiten meiner Freundin. So gern würd ich sie besuchen, mit ihr im Garten werkeln. Singen. Erzählen. Ihre Abenteuer im Zuge ihrer Erkrankung sind groß. Zur körperlichen Malesse hinzu kommt eine erhebliche Herausforderung, sich zu orientieren in der Welt, die ihr viel Mut und Kraft abverlangt. Mit Karin erlebe ich zum ersten Mal hautnah, was es bedeutet demenzähnlich erkrankt zu sein. Für einen so lieben, vertrauten, nahen Menschen. Und für uns Freundinnen und die Familie.

In den Herausforderungen meines eigenen Lebens, kommt der Moment, in dem ich einfach etwas tun muss. Während sovieles nicht möglich ist. Jetzt schnappe ich mir meinen Füller, suche aus meinem Fundus an schönen Karten eine heraus. Und schreibe Karin einen kleinen Liebesbrief. Das Motiv der Postkarte ist wichtig, es soll sie warm berühren, sie innerlich lächeln lassen. Und meine Worte. Ich weiß, dass sie, die Regale voller Bücher hatte und ihr Leben lang las, die eine Liebhaberin und Genießende war von Gedichten, Romanen und mehr, ich weiß dass sie ihre Post nicht mehr selbst lesen kann. Aber hören kann sie meine Worte. Und so schreibe ich ihr Liebesworte voller Zuwendung. Eine kleine Freudenwonne voller Liebe.

Und ich beginne zu lächeln. Begreife, dieser Brief macht viele reich. Mich selbst in der Wärme, die in mir gegenwärtig ist, während ich ihn schreibe. Annika oder Mathias, die sie pflegen und ihn ihr vorlesen werden. Und Karin, die die Liebe spüren wird in meinen Worten.

Die große Gegenwart der alles innewohnende Liebe. Wir können sie entfachen. Ein Liebesbrief, eine Postkarte vermag das. Handgeschrieben.

In fünf Sätzen. In siebenundvierzig Worten.

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9 Kommentare zu “DER LIEBESBRIEF – Post in ein lebendiges Herz
  1. Alexandra sagt:

    Allein es zu lesen berührt mich sehr, Miriam. Ich sehe Karin liebevoll lächeln, wenn sie deine Worte der Liebe empfängt.

    💛

  2. Katrin Satgita sagt:

    Danke, liebe Miriam, für deine Worte, die mich tief berührt haben und die ich so gut verstehen kann. Das Thema begegnet mir gerade auf vielen Ebenen, und wie wichtig ist es, das wir das miteinander teilen und uns stärkend zur Seite stehen. Danke.

  3. Danke fürs teilen liebe Miriam!

  4. Anne sagt:

    Sooo schön, liebe Miriam! Eine Wohl-Tat für deine Freundin und eine herzenswarme Anregung für uns Lesende. Handgeschriebene Karten erfreuen und können berühren, nicht nur im Alter. Danke für die Liebe-volle Inspiration.
    Herzensgruß, Anne

  5. Dorothee sagt:

    Liebe Miriam, danke für diese herz-wärmende Geschichte. Für die Liebe, die zu Karen und auch besonders die für dich selbst. In der Erkenntnis dessen, was du jetzt tun kannst, im Finden des Maßes, das für dich zu bewältigen ist ohne dich zu überfordern. Eben in der Liebe. Danke!
    Dorothee

  6. Desiree sagt:

    Danke für’s teilen 💖
    Schon die Einleitung in deine Geschichte – deine Freundin lebt in einer Pflege WG- hat mich berührt. Etwas in mir sagt:“ja, so kann ich es mir auch vorstellen, alt zu werden!“ Eine Villa mit Garten und eine WG. Die Herausforderung von Altersdemenz begegnet mir gerade bei meiner 94 jährigen Großmutter, auch wenn ich sie nicht täglich begleite, sondern sie Wohnort bedingt nur alle paar Wochen besuche, sehe ich den Aufwand, aber auch den Humor und die Liebe professioneller Pflegekräfte und meiner Verwandten, die sie täglich unterstützen.
    Die Postkarte, die paar persönlichen Zeilen, die Herzen berühren – auch da kann ich mich finden – aktiv und passiv. Sooo schön und danke für’s Erinnern – es wird Zeit wieder einmal ein paar Karten zu schreiben – einfach so, weil’s gut tut – mir und den „Beschenkten“!

  7. Michelle sagt:

    Liebe Miriam
    Deine Zeilen erinnern mich, wie sehr ich handgeschriebene Post liebe, und ich kann mir deine Freude beim Verfassen, und Karins Freude beim Empfangen so gut vorstellen.
    In letzter Zeit habe ich darüber nachgedacht, wie wertvoll solche Post ist und dass es für mich kaum Kostbareres gibt, als persönliche Worte in einem Brief, einer Karte.
    Weil es nicht flüchtig ist.
    Weil es bleibt.
    Weil ich es immer wieder zur Hand nehmen kann.
    Weil es mich umhüllt wie eine wärmende Decke.

    Diese Woche durfte ich 2 solcher Geschenke empfangen, und die Freude ist unbeschreiblich.
    Da hat sich wer die Zeit genommen und sich hingesetzt und persönliche Worte geschrieben.
    Es hat eine andere Qualität als eine Mail, und ich dachte in letzter Zeit, wie heilsam Briefe sein können, wieviel Freude und Liebe wir in die Welt hinaus senden können damit.
    Danke für dein Erinnern, liebe Miriam.

    Lasst uns wieder Briefe schreiben <3.

    Von Herzen, Michelle

  8. Miriam sagt:

    Ihr Lieben alle, Alexandra, Katrin, ihr alle, die ihr euch berühren lasst, die ihr empfindet, ähnlich, verwandt, verbunden – dank euch für euer Teilen!

    Heute wärmen eure Worte mein Herz auf so besondere Weise, denn ich durchwandere Freude und Trauer um eine mir so liebe Herzensfreundin, die am Dienstag starb. Sie war vor Jahren diejenige, die die nahe Begleitung unserer Freundin Karin übernommen und liebevoll, ideenreich und großherzig ermöglicht hat, dass für Karin eine tief vertraute Wahl-Familienfrau ganz zuverlässig präsent war. Zu Besuch kam, mit ihr war. Und so viel bewegt hat zu ihrem Besten.

    Ich freue mich über all den Segen, den sie auf ihre Art der Welt geschenkt hat. Gute Reise ihrer großen, ewigen Seele!

    Ihr Seelen kennt den Reigen. Hier wie dort. – Liebe in allen Welten!

  9. Katti sagt:

    Das muss ich auch mal wieder machen, unbedingt!

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