Elyn Saks: „Verrückt“ und mitten im Leben
„Darf ich Ihr Büro verwüsten?“ Diese Frage stellte Elyn Saks einmal ihrem Arzt und meinte es vollkommen ernst. Die Juraprofessorin ging 2007 mit der Geschichte ihrer eigenen Schizophrenie an die Öffentlichkeit, die sie durch Medikamente und Therapien unter Kontrolle hält, die aber dennoch in ihrem Leben stets präsent ist. In dieser mitreißenden Rede bittet sie uns, Menschen mit Geisteskrankheiten unverstellt, ehrlich und mitfühlend zu betrachten.
Aus dem TED Vortrag: „Eigentlich dürfte ich mit dieser Krankheit nicht hier stehen, und doch tue ich es. Ich glaube, dafür gibt es drei Gründe: Erstens werde ich ausgezeichnet therapiert. Psychoanalytische Psychotherapie an vier bis fünf Tagen pro Woche, seit Jahrzehnten schon, und hervorragende Psychopharmaka. Zweitens habe ich viele enge Familienmitglieder und Freunde, die mich und meine Krankheit kennen. Diese Beziehungen haben meinem Leben Bedeutung und Tiefe verliehen und sie haben mir auch geholfen, mein Leben im Angesicht der Symptome zu steuern. Drittens erfahre ich sehr viel Unterstützung an meiner Arbeitsstelle, an der USC Law School. Dort kommt man meinen Bedürfnissen nicht nur entgegen, sondern begrüßt sie sogar. Die Arbeit bietet außerdem eine starke intellektuelle Stimulation und die Beschäftigung mit komplexen Problemen war immer die beste und mächtigste und zuverlässigste Verteidigung gegen meine Geisteskrankheit.
…Kürzlich fragte mich ein Freund: Wenn es eine Pille gäbe, die mich sofort gesund machen würde, würde ich sie nehmen? Dem Dichter Rainer Maria Rilke wurde eine Psychoanalyse angeboten. Er lehnte ab mit den Worten: „Nehmt mir meine Teufel nicht, sonst fliehen vielleicht auch meine Engel.“ Meine Psychose dagegen ist ein Albtraum, in dem die Teufel so schrecklich sind, dass all meine Engel bereits geflohen sind. Ob ich die Pille nehmen würde? Auf der Stelle. Aber das heißt nicht, dass ich um das Leben trauere, das ich hätte haben können, wäre ich nicht geisteskrank, und ich brauche auch kein Mitleid. Ich möchte vielmehr sagen, dass die Menschlichkeit, die wir alle gemeinsam haben, wichtiger ist als die Geisteskrankheit, die wir nicht teilen. Diejenigen unter uns, die an einer Geisteskrankheit leiden, wollen das, was jeder will: Um es mit Sigmund Freud zu sagen, „lieben und arbeiten“.“
Vor fünf Jahren hat sie einen Bestseller The Center Cannot Hold: My Journey Through Madness über ihre Erfahrungen geschrieben und ein Institut für Ethik in der Psychiatrie gegründet. Aktuell ist ein schöner Artikel in der Zeit erschienen.