Ein Tag wird kommen
„Ein Tag wird kommen, an dem die Menschen schwarzgoldene Augen haben, sie werden die Schönheit sehen, sie werden vom Schmutz befreit sein und von jeder Last, sie werden sich in die Lüfte heben, sie werden unter die Wasser gehen, sie werden ihre Schwielen und ihre Nöte vergessen. Ein Tag wird kommen, sie werden frei sein, es werden alle Menschen frei sein, auch von der Freiheit, die sie gemeint haben. Es wird eine größere Freiheit sein, sie wird über die Maßen sein, sie wird für ein ganzes Leben sein…“
Diese prophetischen Zeilen stammen aus dem Roman Malina von Ingeborg Bachmann, wo sie als utopische Fragmente immer wieder zwischen der eigentlichen Geschichte auftauchen. Es geht weiter:
und
„Ein Tag wird kommen, an dem die Frauen rotgoldene Augen haben, rotgoldenes Haar, und die Poesie ihres Geschlechts wird wieder erschaffen werden…“
Zur Person:
Als Ingeborg Bachmann 1973 in Rom im Alter von nur 47 Jahren an den Folgen eines entsetzlichen Brandunfalls stirbt, hinterlässt nicht nur ihr Tod viele Fragen, ebenso bleibt ihr dichterisches Werk, dessen Höhen und Tiefen bis heute nicht ausgelotet sind, für Fragen offen. Aber „Dichtern wird man in der Stille gerecht, denn wenn alle Deutungen veraltet und alle Erklärungen verbraucht sind, erklärt sich ihr Werk aus der unverbrauchbaren Wahrheit, der es sich verdankt.“ Kurz vor ihrem Tod entstand aus Gesprächen in Rom die Grundlage für das Buch Ein Tag wird kommen: Gespräche in Rom, ein Porträt von Gerda Haller Zitat: „Und ich glaube nicht an diesen Materialismus, an diese Konsumgesellschaft, an diesen Kapitalismus, an diese Ungeheuerlichkeit, die hier stattfindet . . . . Ich glaube wirklich an etwas, und das nenne ich “ein Tag wird kommen”. Und eines Tages wird es kommen. Ja, wahrscheinlich wird es nicht kommen, denn man hat es uns immer zerstört . . . . Es wird nicht kommen, und trotzdem glaube ich daran. Denn wenn ich nicht mehr daran glauben kann, kann ich auch nicht mehr schreiben.“