Ein schwedisches Sommermärchen

Lesezeit 2 Minuten –

An einem schönen Sommertage war um die Mittagszeit eine Stille im Wald eingetreten. Die Vögel steckten ihre Köpfe unter die Flügel. Alles ruhte.
Da steckte der Buchfink sein Köpfchen hervor und fragte: Was ist das Leben?
Alle waren betroffen über diese schwere Frage.

Eine Rose entfaltete ihre Knospe und schob behutsam ein Blatt ums andere heraus.
Sie sprach: Das Leben ist eine Entwicklung.

Weniger tief veranlagt war der Schmetterling. Lustig flog er von einer Blume zur anderen, naschte hier und dort und sagte:
Das Leben ist lauter Freude und Sonnenschein.

Drunten am Boden schleppte sich eine Ameise mit einem Strohhalm, der zehnmal länger als sie selbst war, und sagte:
Das Leben ist nichts als Mühe und Arbeit.

Geschäftig kam eine Biene von einer honighaltigen Blume zurück und meinte dazu:
Das Leben ist ein Wechsel von Arbeit und Vergnügen.

Wo so weise Reden geführt wurden, steckte auch der Maulwurf seinen Kopf aus der Erde und sagte: Das Leben ist ein Kampf in Dunkel.

Die Elster, die selbst nichts weiß, und nur vom Spott der anderen lebt, sagte:
Was ihr für weise Reden führt! Man sollte wunder meinen, was ihr für gescheite Leute seid!

Es hätte nun fast einen großen Streit gegeben, wenn nicht ein feiner Regen eingesetzt hätte, der sagte: Den Leben besteht aus Tränen, nichts als Tränen.

Dann zog er weiter zum Meer.

Dort brandeten die Wogen und warfen sich mit Gewalt gegen die Felsen, kletterten daran in die Höhe und warfen sich dann wieder mit gebrochener Kraft ins Meer zurück und stöhnten: Das Leben ist ein stetes, vergebliches Ringen nach Freiheit.

Hoch über ihnen zog ein Adler majestätisch seine Kreise, der frohlockte:
Das Leben ist ein Streben nach oben.

Nicht weit davon stand eine Weide, die hatte der Sturm schon zur Seite geneigt.
Sie sprach: Das Leben ist ein Sich-Neigen unter einer höheren Macht.

Dann kam die Nacht …
Im lautlosen Flug glitt ein Uhu durch das Geäst des Waldes und krächzte:
Das Leben heißt, die Gelegenheit nutzen, wenn die anderen schlafen.

Schließlich wurde es still im Walde.

Nach einer Weile ging ein Mann durch die menschenleeren Straßen nach Hause. Er kam von einer Lustbarkeit und sagte so vor sich hin: Das Leben ist ein ständiges Suchen nach Glück und Erfolg sowie eine Kette von Enttäuschungen.

Auf einmal flammte die Morgenröte in ihrer vollen Pracht auf und sprach: Wie ich, die Morgenröte, der Beginn des kommenden Tages bin, ist das Leben der Anbruch der Ewigkeit.

Verfasser unbekannt.

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6 Kommentare

  1. Liebes Newslichter Team! Diese Geschichte heißt im Original “ Eine schwedische Waldgeschichte“ und der, oder die Verfasserin ist unbekannt. So zumindest wird es überliefert. – Hier entsteht ein wenig der Eindruck, als hätte Sabine Herm diese geschrieben, zudem unter einem falschen Titel letztlich veröffentlicht. – Ich habe die Waldgeschichte vertont und Ur-aufgeführt, daher ist sie mir zutiefst bekannt. Liebe Grüße von saskia, Mensch aus der Familie Horn.

  2. “ Und > W I R < inmitten dieses sommerlichen Intermezzo's"

    Demzufolge stimmt mit mir ein: " H U R R A wir leben, und haben " wer weiß "
    vielleicht etwas überstanden und aalen uns anders als gewohnt, in dieser herrlichen Sommerwärme inkl. Sommermärchen…
    DANKE liebe Sabine –
    Viola

  3. Ich frage mich manchmal, ob Urheberschaft noch zeitgemäß ist und dafür gute Gründe gefunden: das wir noch ein Bezahlsystem haben, um Wertschätzung zu kanalisieren, um andere Ausdrucksformen des Urhebers zu finden usw. Aber wie schön wäre z.b. die Bezeichnung ‚in die Welt gebracht von‘ und ‚weitergegeben durch..‘

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